Wo München bunt ist? Gastbeitrag von Anita Gabriele Hilbig und Imre Ertsey
Wo München bunt ist?
Was meinen Sie, wo könnte das sein?
Wir meinen, am buntesten ist München auf der Schwanthaler Höh‘, also im Westend. Die ersten Schritte führen uns zum „EineWeltHaus“, das eine „Besonderheit„ in München ist. In der Weltwirtschaft werden regionale Speisen zu moderaten Preisen angeboten, und hier findet sich immer jemand, mit dem Sie diskutieren können.
Außerdem haben hier viele Münchner Initiativen eine Heimat gefunden und weitere können noch eine finden. In diesem „bunten Haus“ werden unterschiedliche, hauptsächlich politische Veranstaltungen angeboten und die Förderung eines friedlichen und gemeinschaftlichen Lebens zwischen Menschen aller Kulturen wird groß geschrieben. Dieses Zentrum gibt Impulse für vielfältige Aktivitäten. Es ist ein internationales und interkulturelles Begegnungszentrum, das sich mit weltweiten Fragen beschäftigt. Das bunte Haus bietet eine Anlaufstelle für Flüchtlinge und einen Treffpunkt aller Generationen und Nationen.
Zum Beispiel stellt Günther Wangerin hier regelmäßig seine zum Nachdenken anregenden Kunstwerke aus. Er geht auch als Aktionskünstler auf die Straße: https://www.youtube.com/watch?v=Q2Cf8iLcJo8.
Und Ulrich Chaussy hat hier über die Hintergründe des Oktoberfestattentates von 1980 berichtet. Dieser Mann hatte so viel Mut, bei der Aufklärung dieses bis heute unaufgeklärten Mordanschlages mitzuarbeiten: https://www.youtube.com/watch?v=ovY_9riAPzQ. Seinem unermüdlichen Engagement ist es zu danken, dass eine beeindruckende und betroffen machende Installation am Eingang der Theresienwiese aufgestellt wurde:
In unmittelbarer Nähe vom EineWeltHaus steht das Gewerkschaftshaus. Hier traf sich regelmäßig der „Arbeitskreis gegen Rechts“, in dem wir zeitweise mitgewirkt haben, und von hier starten auch viele Münchner Demos: https://www.youtube.com/watch?v=wquqVmjpk6g
Zur Zeit wird diese Schaltzentrale des Gewerkschaftsbundes umgebaut, und alle Mitarbeiter*innen finden sich plötzlich an der Peripherie von München wieder.
Wir sind der Meinung, ein Haus, das die Interessen der „Werktätigen“ vertritt, gehört ins Zentrum.
Jetzt gehen wir im wahrsten Sinne des Wortes auf die Schwanthaler Höh` zur Ligsalzstraße. Hier befindet sich das unkonventionellste und alternativste Münchner Wohnprojekt: Die Ligsalz 8.
Die Ligsalz8 ist ein Wohnprojekt im Münchner Westend. Als solches ist es Teil des Netzwerks München, also dem Zusammenschluss selbstverwalteter Projekte. Nach einer Bauphase, die im November 2008 abgeschlossen wurde, sind die Bewohner*innen in das Haus in der Ligsalzstr. 8 eingezogen. Das Projekt bietet allen Bewohner*innen auch ohne großes Eigenkapital die interessante Möglichkeit, sich an diesem Wohnprojekt zu beteiligen. Dem eigenen Selbstverständnis folgend, ist im Erdgeschoß ein großer Veranstaltungsraum eingerichtet worden. Dieser bietet ein breites Spektrum an Infoveranstaltungen, Ausstellungen, Chorproben und ein kleines Home-Kino an. An jedem ersten Sonntag im Monat öffnet sich das Haus zum Austauschen und Kennenlernen. Die Termine sind auf einer Webseite zu finden.
Jetzt biegen wir um die Ecke und bewegen uns auf das „Haus mit der roten Fahne“ zu.
„Brüder und Schwestern zur Freiheit, alle zum Lichte hervor
Hell aus dem Dunklen vergangen leuchtet die Zukunft hervor.“
Hier befindet sich der Verlag „das freie Buch“, der August Kühn Verein und von hier aus agieren auch die Genoss*innen der Münchner Arbeiterbewegung. Zu August Kühn: Er hat uns einiges zu sagen und deshalb ein Buch geschrieben: „Zeit zum Aufstehen“. In diesem Buch erzählt er uns ausführlich vom Leben einer Münchner Arbeiterfamilie, die über mehrere Generationen hinweg in München gelebt und sich unermüdlich für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiterschaft eingesetzt hat. Diese Familienchronik ist ein außergewöhnliches Buch, das uns einen guten Einblick in die Verhältnisse gibt, unter denen Arbeiterfamilien in der Zeit zwischen 1866 und 1974 in München gelebt haben. Nebenbei führt uns das Buch auch durch 100 Jahre Münchner Stadtgeschichte.
Zur Kostprobe hier einer kleiner Ausschnitt aus dem Buch.
„…….Kreuzkruzitürkensakramentsgendarmengesindel, dreckiges, fast das ganze Arbeiterwahlkomitee haben die eingesackt.‘
‚Sag, Sepp, was machen wir jetzt?‘
‚Weiter mach’ mer! Ich glaub, wir müssen uns auf eine lange Zeit einrichten, da geht’s halt einmal grad und einmal krumm.’“
Dieses Buch, das die Wege eines Arbeiterlebens in München beschreibt, könnt Ihr im Verlag „das freie Buch“ beziehen. Dieser Verlag ist ebenso wie der August Kühn Verein im „Haus mit der roten Fahne“ untergebracht. Hier werden auch viele Broschüren und Plakate von Verdi gedruckt.
Die Genoss*innen des Arbeiterbundes setzten sich unter anderem dafür ein, dass die Frauen und Männer der „Pariser Commune“ unvergessen bleiben.
Wie wäre es nun mit einer kleinen Pause? Eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen im Café „Marais“.
Ja, dann mal los.
Das Café ist eine Institution im Westend und in unmittelbarer Nähe vom „Haus mit der roten Fahne“. Dieses „Café“ in der Parkstraße ist fast zu schön, um wahr zu sein. Es wird von Frauen geführt. Die Einrichtung sucht seinesgleichen in München: 50er Jahre-Möbel, eine alte Verkaufstheke, Schubladen für Kurzwaren und Spielzeug aus dem 19. Jahrhundert.
Die gesamte Einrichtung ist wunderlich aus der Zeit gefallen.
Zu diesem Mythos passt, dass das Marais nicht nur ein Café ist, sondern zugleich auch ein Laden, in dem viele der herumstehenden Möbel zum Verkauf stehen, und allerlei Tand wie Tücher, Hüte und Bio-Kosmetik.
Wir gehen noch einmal zurück zur Theresienwiese, denn hier liegt ein Münchner Juwel: »Das Bad«. Der Name kommt von der ehemaligen Nutzung als Bade- und Klohäusl. Und jetzt die Überraschung: Hier ist schon König Ludwig III. auf’s Klo gegangen und zwar kurz bevor er abdanken musste. Die Revolution ist ihm auf den Magen geschlagen.
Bevor Sie nach Hause gehen, noch ein „Schmankerl“: Zusammenhalt wächst durch Begegnung im gemeinsamen Erleben. „Ein Teller Heimat“ hat hierzu ein sehr einfaches Konzept: Menschen unterschiedlichster Nationalitäten kochen gemeinsam. Engagierte Münchner*innen und Flüchtlinge aus dem Westend tun sich zusammen und besorgen Zutaten für ein gemeinsames Essen. Das Interesse an einem kulturellen Austausch wird dabei groß geschrieben: https://www.youtube.com/watch?v=eJbd8AKiNpw
Wir hoffen sehr, dass wir Sie davon überzeugen konnten, dass „München bunt ist“.
Erzählen Sie es weiter!
Anita Gabriele Hilbig und Imre Ertsey